Als Kriftel evangelisch war

Vortrag von Wilfried Krementz am 2. Juni 2022
in der Auferstehungskirche


"Endlich" betonte Pfarrerin Carmen Schneider bei der Begrüßung. Der Vortrag war zunächst für 2020 geplant worden, musste aber wegen der Corona-Pandemie mehrmals verschoben werden. Nun hatten mehr als 30 Interessierte den Weg in die Auferstehungskirche gefunden. Wilfried Krementz berichtete über seine Recherchen in den Mainzer Regierungs-akten und führte damit die Zuhörenden in das 16. Jahrhundert zurück.

Schon 1465 war das Amt Hofheim, zu dem Kriftel gehörte, an das Haus Eppstein-Königstein verpfändet worden. Eine herausragende Machtstellung in Kriftel hatte das Mainzer Stift St. Maria ad gradus, genannt Liebfrauenstift. Neben großen Landbesitzen besaß es das Patronatsrecht an der Kirche und damit das Pfarrstellenbesetzungsrecht.

Siegel des evang. Pfarrers Bartholomäus Rothaupt (1579), Foto: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt./Nr. 106,434

1552 wurde Kriftel evangelisch …



Im Jahr 1535 ging das Haus Eppstein-Königstein mangels Nachfolger an Graf Ludwig von Stolberg über, der überzeugter Lutheraner war. Er führte 1540 in seinem Herrschaftsbereich die evangelisch-lutherische Konfession ein. Kriftel blieb zunächst katholisch. Dieses änderte sich, als im Jahr 1552 die Krifteler das Liebfrauenstift baten, dem evangelischen Pfarrer Johann Awerbach die Pfarrstelle zu geben und dieser Wunsch erfüllt wurde. Fünf Jahre später, also 1557, wurde Bartholomäus Rothaupt, ein evangelischer Schulmeister aus Hofheim, als Pfarrer eingesetzt. Nach dessen Tod erhielt Philipp Firn, ebenfalls ein Protestant, 1585 die Pfarrei.

… und 1589 wieder katholisch


Im Jahr 1589, nach dem Tod von Philipp Firn, wurde Erasmus Pauscherus, Pfarrherr zu Falkenstein, vom Höchster Amtmann Hartmut von Kronberg als Pfarrer vorgeschlagen, aber von den Kriftelern abgelehnt. Die Begründung lautete, dass der Pfarrherr wegen seines schreienden Weibes an keinem Ort gelitten wäre und er selbst auch Unruhe verbreiten würde. Die Krifteler wollten lieber Nikolaus Rothaupt, den Sohn von Bartholomäus Rothaupt, auf der Stelle sehen. Das Liebfrauenstift lehnte beide Protestanten ab und beharrte darauf, die Stelle mit einem katholischen Pfarrer zu besetzen. 1593 wurde Johann Walther als katholischer Krifteler Pfarrer in den Akten erwähnt.

1595 tauchte der Name des katholischen Pfarrers Johann Wagner in den Unterlagen auf. Es wurde von großen Spannungen zwischen ihm und den Kriftelern berichtet. Der Pfarrer führte einen unangemessenen Lebenswandel, indem er mit einer Konkubine in eheähnlicher Gemeinschaft lebte und mit ihr elf Kinder gezeugt hatte. Protokolliert sind Zurechtweisungen und die Bestrafung des Pfarrers durch den Generalvikar.

 

Wilfried Krementz

bei seinem hochinteressanten Vortrag in der Auferstehungskirche (Foto: Helga Leonhard)

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde im gesamten Erzstift der Katholizismus wieder eingeführt. Ab 1603 wurde von den Beamten das katholische Glaubensbekenntnis gefordert. 1635 wurde Pfarrer Wagner im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden verjagt und starb wenig später.

In der lebhaften Diskussion im Anschluss an den Vortrag wurde deutlich, dass die Akten nicht berichten, wie sich die Menschen in Kriftel damals gefühlt haben. Es ist nicht überliefert, ob einige wegen ihres Glaubens Kriftel verlassen haben. Wilfried Krementz vermutet, dass die meisten sich mit dem Glaubenswechsel arrangiert haben.

Zum Abschluss der Veranstaltung bedankte sich Pfarrerin Schneider mit einem kleinen Präsent herzlich bei Herrn Krementz für den hochinteressanten Vortrag, der die Gäste tief in die Geschichte Kriftels hineinführte, und es gab lang anhaltenden Beifall dafür.

 

Dr. Helga Leonhard


Quelle:
Auferstehungs-Mosaik - Gemeindebrief der Ev. Auferstehungsgemeinde Kriftel, Ausgabe 2/2022

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